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Realisierte
Projekte

Projektbeschrieb:

Meine Reise nach Štúrovo mit Besuch der Brückenwächterin Fuyu

Gertrud · Projektstart Frühling 2023 · Projektdauer ca. 8 Tage · Projektgrundlage: Ein Geschenkgutschein zum Besuch der Brückenwächterin in Štúrovo

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Der Initiator des Brückenwacht-Projekts, Karol, machte mich mit seinem Projekt bekannt und organisierte meinen Aufenthalt  

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Fuyu, Künstlerin und Brücken-wächterin aus Taiwan, lädt mich zu  einer Teezeremonie ein

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Die 2001 wieder errichtete Maria Valeria Brücke. Für die Künstlerinnen und Künstler in Residence für ein paar Monate Anstoss und Vorgabe zum Einbezug ins eigene künstlerische Wirken

Meine Reise nach Štúrovo mit Besuch der Brückenwächterin Fuyu

Die Maria Valeria Brücke von Štúrovo nach Esztergom

Gertrud Krek-König

 

Das Organisieren meiner neuen Lebensphase nach Aufgabe meiner Praxistätigkeit führte unter anderem dazu, dass ich beim «Brückenwacht-Projekt» auf Silberprojekt einen Gutschein für einen Besuch der Maria Valeria Brücke in Štúrovo herunterlud. Štúrovo? Nie gehört. Ich schickte den Gutschein ein; der Gewinn würde wohl so sicher sein wie ein Sechser im Lotto. Weit gefehlt; umgehend bekam ich die Bestätigung, nach Štúrovo reisen zu können. Neugierig setzte ich mich mit Karol Frühauf in Verbindung, der für eine solche Reise zuständig ist. Karol fand, die Gegend sei schön und interessant, und eigentlich zu schade, um nur schnell hin und wieder zurückzufliegen. Meine Reise führte mich schliesslich für je 2 Tage nach Prag, Bratislava, Štúrovo und Budapest. In Prag nahm ich an einem hocheleganten Mozart-Dinner teil und begeisterte mich im Nationalmuseum für eine unglaublich umfangreiche Mineraliensammlung. In Bratislava gab es eine zweistündige Stadtführung zu Fuss, mit einer Führerin, die einfach alles über jedes Gebäude wusste, von wem es erbaut und von wem es zu welchen Zeiten bewohnt worden war. Beeindruckend war auch eine innen wie aussen vollständig in himmelblauer Farbe gehaltene Jugendstil-Kirche. In Budapest begeisterten mich neben den üblichen Touristenattraktionen die absolut fantastischen Antiquitätengeschäfte. Die Markthalle bietet gefühlte dreitausend Sorten von Paprika an. Keine leichte Auswahl, sollten doch die Zuhausegebliebenen etwas von diesem Gewürze-Reichtum abbekommen. Eindrücklich war auch die Reihe von alten Schuhen, die ein Stück weit der Donau entlang am Ufer stehen. Dieses Mahnmal soll an die Juden erinnern, die im zweiten Weltkrieg von Nazi-Ungaren in Zweier- und Dreier-Reihen mit dem Rücken zur Donau aufgestellt und erschossen worden waren.

 

Nun aber zu Štúrovo, dem eigentlichen Ziel meiner Reise. Štúrovo sieht aus wie ein Dorf mit kleinen meist einstöckigen Häusern, die weit auseinander stehen. Es gibt eine breite Hauptstrasse mit vielen kleinen und grösseren Geschäften. Da die Ortschaft mehr als 10'000 ständige Einwohner hat, gilt sie als Stadt. Im Sommer kommen jeweils über 10'000 Touristen hinzu, die ihre Ferien hier geniessen, was mir der Inhaber des familiären Hotels, in dem ich untergebracht war, mit einem lachenden und einem weinenden Auge erzählte. Gut für die Kasse, meinte er, aber schlecht wegen des damit verbundenen Stresses. Štúrovo ist die südlichste Stadt der Slowakei und liegt direkt an der Donau. Die eindrucksvolle Maria Valeria Brücke führt hinüber ins ungarische Esztergom. Die Brücke wurde 1895 erbaut (versehen mit 490'000 von Hand eingeschlagenen Nieten!), 1919 durch eine Explosion teilweise zerstört, 1926 wieder aufgebaut, 1944 von den Deutschen bombardiert, und wegen kommunistischer Streitigkeiten hüben wie drüben erst 2000 neu errichtet und 2001 eingeweiht. Ihr Name Maria Valeria geht auf das vierte Kind von Franz Josef I und Elisabeth (Sissi) von Österreich zurück. Auf der ungarischen Seite, in Esztergom, steht auf einem Hügel eine riesige Basilika. Sie ist die grösste und ihrem Rang nach die erste Kirche Ungarns. Das Gebäude ist wirklich gewaltig. Je nach persönlicher Einstellung kann man diese Basilika als eine Machtdemonstration der katholischen Kirche betrachten, oder als ein Bauwerk zu Ehren Gottes, oder als beides. Auch eine Basilika lässt sich als Brücke verstehen. Es ist jedoch eine schwierige Art von Brücke. Eine gewöhnliche Brücke wie die Maria Valeria verbindet Menschen; es ist ein Hin und Her von Menschen. Die Basilika verbindet Menschen mit Gott. Auf der einen Seite steht der Mensch, auf der anderen Seite aber nicht wie bei gewöhnlichen Brücken ebenfalls ein Mensch, sondern Gott. Das «Hin» (der Mensch) ist wie bei normalen Brücken gegeben; das «Her» (Gott) jedoch besteht aus dem Glauben, dass es dieses «Her» gibt und sich in irgendeiner Weise manifestiert oder manifestieren wird.

Zurück zur Maria Valeria Brücke. Die Brücke besteht aus Stahl und ist mit einem grünen Anstrich versehen, der wohl Rost verhindern soll. Fünf unterschiedlich hohe Bogen überspannen die Donau, wobei der mittlere die stolze Höhe von 15 Metern aufweist. Die Länge von Ufer zu Ufer beträgt einen halben Kilometer. In der Mitte verläuft eine doppelspurige Autostrasse. Mit einem stabilen Geländer davon abgetrennt, gibt es links und rechts je einen gut zwei Meter breiten Fussgänger-Bereich. So können mehrere Personen nebeneinander gemütlich schlendernd die Brücke passieren. Da die Slowakei und Ungarn zum Schengen-Raum gehören, sind dazu keinerlei staatliche Formalitäten nötig. In der Abenddämmerung oder am frühen Morgen, wenn die Welt noch schläft, über diese Brücke zu gehen, dürfte eine Stimmung vermitteln, die einer Meditation gleichkommt. Auch die breite, ruhig dahin fliessende Donau trägt dazu bei, diesen Eindruck zu vertiefen.  

 

Die Brücke wird durch die sogenannte Brückenwache symbolisch geschützt. Bei diesem Projekt ist jeweils eine Künstlerin / ein Künstler oder eine Wissenschaftlerin / ein Wissenschaftler für drei bis sechs Monate in einer Wohnung in der Nähe der Brücke untergebracht. Neben dem freien eigenen Schaffen soll der Brücke jeden Tag ein Besuch abgestattet und sie so symbolisch geschützt werden. Zurzeit hat die junge reizende Taiwanesin Fuyu das Amt der Brückenwache inne. Wir waren uns gegenseitig sofort sympathisch. Fuyu lud mich zu einer Olongo-Teezeremonie ein. Dann spazierten wir gemeinsam über die Maria Valeria Brücke. In Esztergom gibt es ein Café mit echt himmlischen Kuchen. Wir bestellten zwei davon und teilten sie uns. Wir teilten auch alle anderen gemeinsamen Mahlzeiten, um auf diese Weise möglichst viele landestypische Gerichte kennen zu lernen. Fuyu drückt ihr künstlerisches Talent durch das Weben von Teppichen aus. Den Bezug zur Brücke stellte sie her, indem sie mit einem Bündel Fäden – jeder Faden so lang wie die Brücke, also 500 m – über die Brücke ging und jedes Mal, wenn sie einen Menschen antraf, einen neuen Faden in einer neuen Farbe nahm und diesen mit dem Faden der vorangehenden Begegnung verknüpfte. Daraus webte sie einen Teppich, der, in hellen grün-blau-beigen Tönen gehalten, gut zur Stimmung passt, die von der Brücke ausgeht.

 

Natürlich erzählen die Teilnehmer der Brückenwache ihren Familien, ihren Freunden und Bekannten von dem Projekt.

Auf diese Weise entsteht ein emotionaler Schneeball-Effekt

zu Gunsten der Maria Valeria Brücke. Selbst wenn morgen ein Putin käme oder ein anderes politisches Monster, und die Brücke erneut zerstört würde, so wäre es eine Zerstörung nur des physischen Gebildes. Der Geist der Brücke würde weiter leben und unausweichlich zu einem raschen Wiederaufbau führen. Die Brückenwache ist daher nicht nur aktuell als ein symbolischer Schutz zu verstehen, sondern sie vermittelt auch die Botschaft, dass man niemals aufgeben soll, das Richtige zu tun.

 

Der Dalai Lama soll gesagt haben: «Einmal im Jahr solltest Du einen Ort besuchen, an dem Du noch nie warst». Mit meiner Reise und dem Besuch der Maria Valeria Brücke in Štúrovo habe ich diesen weisen Vorschlag in die Tat umgesetzt. Mein Bericht, der nur eine kleine Auswahl von Eindrücken wiedergibt, regt vielleicht die eine oder andere Leserin, den einen oder anderen Leser dazu an, ebenfalls etwas Neues zu entdecken. Dazu wünsche ich viel Freude und Erfolg!

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Lieber als PDF (2 Seiten A4) lesen? Bitte schön:

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